Was haben der Hamburger Hauptbahnhof, die Hausboote in Hammerbrook und die TU Delft aus den Niederlanden gemeinsam? Auf all diesen Dächern befindet sich „RESITRIX®“ - eine besondere Dachabdichtung - und wir, das Profil PGW-Chemie-Wirtschaft konnten am MINT-Tag erleben, wie diese hergestellt wird. Genauer, wie das Vorprodukt hergestellt wird. Wir besuchten den Harburger Produktionsstandort von Carlisle Construction Materials Europe.
Carlisle - schon mal gehört? Wahrscheinlich noch nicht, obwohl das Werk hier in Harburg direkt gegenüber von der Continental AG liegt. Mit seinen über 350 Mitarbeitern in Europa und 12.000 Mitarbeitern weltweit ist Carlisle alles andere als klein. Das Produktportfolio reicht von „Interconnect Technologies“, „Fluid Technologies“ und „Brake & Friction Solutions“ über „FoodService Products“ bis zu „Construction Materials“, zu denen auch die Dachabdichtungen gehören.
Blickt man auf die Geschichte von „Carlisle Construction Materials Europe“ (kurz: CCM Europe) zurück, so stellt man fest, dass es das Unternehmen in seiner jetzigen Form noch gar nicht so lange gibt. Erst 2011 wurde die ehemalige „Phoenix Dichtungstechnik GmbH“ von dem amerikanischen Konzern „Carlisle Companies Incorporated“ übernommen, 2012 kam das niederländische Unternehmen „HERTALAN® Rubber Products B.V.“ hinzu.
Schon jetzt ist CCM der europaweit führende Anbieter von EPDM-Dachabdichtungen. Ein jährliches Wachstum von 5-10%, bei Umsätzen von über 100 Mio. Euro, macht CCM zu einem wahrlich erfolgreichen Unternehmen - und der Markt für EPDM-Dachabdichtungen wächst. CCM befindet sich auf Expansionskurs.
Nun aber genug mit den ganzen Fakten. Was konnten wir erleben? Neben einer Einstiegs-Präsentation, in der uns etliche Informationen über Unternehmen, Produkte und deren Herstellung mitgegeben wurden, erhielten wir eine Führung durch die Produktionshallen und besuchten die F&E (Forschung und Entwicklung).
Die Anforderungen, die an Dachabdichtungen gestellt werden, sind weit größer als zunächst angenommen. So müssen sie natürlich dichthalten, doch nicht nur für ein oder zwei Jahre, sondern für Jahrzehnte. Einflüssen von Wind und Wetter müssen sie trotzen, UV-Strahlung darf sie nicht beschädigen und dies alles über ein großes Temperaturspektrum hinweg.
Die Dachabdichtungen von CCM erfüllen diese Anforderungen mit Bravour - bei Temperaturen von -40 bis +120°C. Das Süddeutsche Kunststoff-Zentrum (SKZ) attestiert eine Gebrauchsdauer von über 50 Jahren. Dies hält CCM jedoch nicht davon ab, weiter zu forschen. Gerade was Feuerfestigkeit betrifft, wird die Überlegenheit gegenüber den Wettbewerbsprodukten sichtbar.
In der F&E wurden uns die Testergebnisse eines Feuerfestigkeitstests präsentiert. In dem Test wurde Holzwolle über einer Dachbahn entzündet und nach einer definierten Zeit der entstandene Schaden bestimmt. Während bei RESITRIX® nur sehr geringe Schäden auftraten und dies auch bei längerer Brenndauer als vom Prüfinstitut vorgeschrieben, musste beim Wettbewerbsprodukt bereits vor Ablauf der Testzeit zum Feuerlöscher gegriffen werden, um ein Abrennen des Labors zu verhindern.
Doch nicht nur was Feuerfestigkeit betrifft, weist RESITRIX® Vorteile auf. Die einen Meter breiten Dachbahnen werden nicht mit offener Flamme verarbeitet, sondern sicher mit Heißluft verschweißt. Die Verschweißung mit offener Flamme verursacht immer wieder schwere Brände. Gerade auf Dächern, die oft ungeschützt dem Wind ausgesetzt sind, führte dies zu schon manch abgebranntem Haus.
Auch die Verbindung der Bahnen ist besser als bei herkömmlichen Produkten. Das Süddeutsche Kunststoff-Zentrum bestätigte RESITRIX® als einzigem Produkt eine Lebensdauer von über 50 Jahren auch für die Nahtfügungen. Nachdem uns das Verschweißen präsentiert wurde, durften wir uns daran versuchen, die Bahnen wieder auseinanderzureißen - unmöglich.
Soweit von der F&E, wir durften schließlich auch noch in die Produktionshallen. Semesterthema S2 in Chemie waren bei uns Kunststoffe. Insofern kamen uns die verarbeiteten Kunststoffe EPDM und TPE nicht gänzlich unbekannt vor. Zu sehen, wie Kunststoffverarbeitung in großem Maßstab erfolgt, war für uns alle sehr interessant. Wie kompliziert und raffiniert zugleich eine solche Anlage doch sein kann: Wenn möglich, will man die Maschinen ohne Pause arbeiten lassen - klar, da sie so am wirtschaftlichsten sind. So wird am Standort auch in vier Schichten gearbeitet. Die Maschinen ohne Pause arbeiten zu lassen, ist jedoch gar nicht so leicht, wie es klingen mag.
Das Material wird auf Rollen aufgewickelt, die alle paar Minuten getauscht werden müssen. Dabei könnte jedoch nicht weiter produziert werden, hätte man sich nicht die „Speicher-Lösung“ einfallen lassen. Das Material läuft, bevor es aufgewickelt wird, um etliche Umlenkrollen. Wird nun die Material-Rolle getauscht, so fahren die Umlenkrollen auseinander. Dadurch wird die Strecke, die das Material vor dem Aufwickeln zurücklegen muss, wesentlich verlängert. Dies reicht, um die Rollen zu wechseln - genial.
Alles in allem war es ein sehr gelungener MINT-Tag. Der Besuch bei Carlisle hat uns viel Freude bereitet - und er passte optimal zu unserem Profil PGW-Chemie-Wirtschaft. Vorkenntnisse zu den verarbeiteten Kunststoffen und wirtschaftlichen Zusammenhängen ließen uns das Erlebte sehr gut nachvollziehen.